Sonntag, 10. Februar 2019

«Meine Gefühlswelt wurde durch die Cyberattacke auf den Kopf gestellt»

Yolanda G. wurde vor zwei Jahren auf einer Dienstreise Opfer einer Cyberattacke. Über das öffentliche Hotel-WLAN entwendeten Hacker die Zugangsdaten für zwei ihrer Social-Media-Profile, klauten private Bilder und brachten die Kaderfrau und Mutter mit gefälschten Einträgen und anschliessenden Droh-E-Mails phasenweise an den Rand der Verzweiflung.

Frau G., was hat sich für Sie seit Ihrer Geschäftsreise im Februar 2017 nach Budapest, wo sie wichtige Kunden besuchten, verändert?

Vieles, sehr vieles. Ich bin ein vorsichtigerer, vielleicht sogar ängstlicherer Mensch geworden, als ich es zuvor war.

Was war geschehen?

Nach einem anstrengenden aber erfolgreichen Tag, mit vielen Meetings ruhte ich mich in meinem Hotelzimmer im Stadtzentrum aus und surfte per Smartphone über das öffentliche WLAN in meinen verschiedenen Social-Media-Profilen. Ich chattete mit Kolleginnen und meiner Familie, postete ein paar Bilder und konnte nicht ahnen, dass wohl zeitgleich ein Hacker in einem Nebenzimmer über das Hotel-WLAN an all meine Zugangsdaten und Passwörter gelangte.

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Wie haben Sie dann letztendlich von diesem Angriff erfahren?

Ich flog zunächst absolut ahnungslos zurück in die Schweiz. Wie sollte ich so etwas erahnen? Ich freute mich auf ein ruhiges Wochenende zu Hause, woraus nichts wurde. Sowohl Freunde als auch Geschäftskollegen riefen mich schon am Samstagnachmittag ganz aufgeregt, teils sogar erzürnt an und fragten, was mir überhaupt einfalle. Offensichtlich hatte der Hacker aus dem Budapester Hotel über Nacht mit meinem Facebook- und LinkedIn-Profil in meinem Namen gewütet. Private Bilder von meinen Kindern, die wirklich nur unserem engsten Familienkreis zugänglich waren, landeten beispielsweise plötzlich bei wichtigen Geschäftskontakten, teils mit anzüglichen Kommentaren in perfektem Deutsch. Als ich mir selbst ein Bild von diesem Chaos machte, wurde es mir schlecht und ich hatte sogar einen Kreislaufkollaps.

Wie reagierten Sie darauf?

Zunächst einmal gar nicht. Mein Mann brachte mich nach meinem Zusammenbruch aus Sorge in den Notfall, wo ich mich körperlich etwas erholen konnte. Innerlich bebte es in mir. Allein die persönliche Erklärung des Sachverhalts, bei allen vor den Kopf gestossenen Kontakten würde mich Tage, wenn nicht Wochen und vor allem unendlich viel Energie kosten. Das lähmte mich zunächst förmlich. Aber viel schlimmer war die beissende Frage: Was hatte ich noch zu erwarten von diesem Hacker?

War Ihre Befürchtung berechtigt?

Leider ja. Die Aufarbeitung des Social-Media-Schlamassels war irgendwann so gut wie abgeschlossen, alle betroffenen Konten gelöscht und teils mit neuen Codes und Passwörtern wieder installiert. Bilder von meiner Familie und Kindern würde ich aber niemals mehr hochladen. Denn genau hier hakten die Cyberkriminellen ein. Sie schickten mir per E-Mail plötzlich in regelmässigen Abständen Drohungen, die Bilder in allen möglichen Foren zu veröffentlichen, wenn ich kein Lösegeld überweisen würde.

Wie fühlt man sich in solchen Momenten?

Vollkommen macht- und irgendwie schutzlos. Auf Anraten von allen Seiten bin ich den Geldforderungen bis heute nicht nachgekommen und habe bisher auch keine Kenntnis von einem Missbrauch der Bilder. Es handelt sich ja grundsätzlich auch um normale Kinderbilder. Trotzdem fühle ich mich bis heute schuldig, die Intimsphäre meiner Familie preisgegeben zu haben. Meine Gefühlswelt wurde durch diesen Vorfall auf den Kopf gestellt. Und ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, es sei heute alles wieder im Lot.

Erhalten Sie weiterhin solche E-Mails?

Sie sind inzwischen viel seltener geworden. Mithilfe von Fachstellen habe ich auch probiert, den Absendern irgendwie auf die Spur zu kommen. Bisher ohne Erfolg. Ich habe hier auch Skrupel und denke manchmal, dass dies die Hacker noch zusätzlich verärgern oder anstacheln könnte. Und dass sie wissen, wie meine Kinder aussehen und wo sie wohnen, erfüllt mich mit Unbehagen. Hin und wieder ereilen mich sogar regelrechte Angstfantasien.

Spüren Sie auch Auswirkungen im Berufsleben?

Mein Arbeitgeber hat Gott sei Dank sehr viel Verständnis und mir die notwendige Zeit eingeräumt, um das Geschehene einigermassen zu verarbeiten. Natürlich wollte ich aus Loyalität zum Unternehmen jeden erdenklichen Aufwand betreiben, um die aus den gefälschten Einträgen entwachsenen Missverständnisse auszuräumen und so einen Imageschaden abzuwenden. Da reagierten auch die Geschäftspartner sehr positiv und unterstützend.

(*) Name geändert

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